Kritische Hinweise auf den Diskussionsseiten
Hatte ich schon erwähnt, dass die Wikipedia-Community nicht immer nett ist? Und sie „bezahltem Schreiben“, also aus Unternehmen und von Agenturen, kritisch gegenüber steht? Üblicherweise merken das nur die Paid Editors im direktem Kontakt, aber manchmal kann man auch als „einfacher Leser“ einen kleinen Einblick gewinnen.
Wie man den kritischen Umgang ohne viel Aufwand entdeckt? Einfach auf die Diskussionsseiten beliebiger Artikel gehen. Dann wird man manchmal fündig, wie die kleine Auswahl zeigt:
„Erfüllt möglicherweise nicht die Anforderungen“
Der Artikel über den österreichischen Kabarettist Markus Hirtler wurde bereits 2008 angelegt. Ins Blickfeld geriet er erst im Dezember 2021, als die verantwortliche Agentur aufgrund einer andere Sache „kritisch beäugt“ wurde – was an dieser Stelle als Euphemismus zu verstehen ist. Was das mit weniger diplomatischen Worten bedeutet, zeigt sich im Warnhinweis, der laut Versionsgeschichte von Fiona B. kommt.

Glück gehabt: „entwerblicht“ statt gelöscht
Wer etwas Zeit mitbringt und motiviert ist, kann sich hier die Löschdiskussion zum Artikel „Followfood“ durchlesen. Die „unbehandelte“ Ursprungsfassung findet sich hier und den kritischen Hinweis auf der Artikeldiskussionsseite hat Fiona (B.) hinterlassen .

Hinweis auf Sperre der Agentur
Bei der Bernard Knubel GmbH & Co. KG handelt es sich um eine Automobil-Unternehmensgruppe aus Münster, die mehrere Standorte im Münsterland unterhält. Aufgrund der Relevanzkriterien der deutschsprachigen Wikipedia ist das Unternehmen eindeutig „enzyklopädisch relevant“. Hier zeigt sich aber auch, was ich an anderer Stelle schon mal gesagt habe: Wenn etwas fehlt, weist die Community mit dem Finger darauf – in diesem Fall die Unternehmensgeschichte von 1914–1945.
Die anlegende Agentur wird diese Lücken jedenfalls nicht mehr füllen, wie der ursprünglich von Fiona angelegte und später noch erweiterte Kommentar zeigt:

Auch vor der öffentlichen Hand wird gewarnt
Am 6. November 2020 teilte das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Land mit (hier die Pressemitteilung im Internet Archive), dass das Land Hessen „Wikipedia-Einträge von und über Frauen mit 50.000 Euro [fördert], um Gender Knowledge Gap zu beseitigen“.
Der Community hat das gar nicht gefallen. In der Folge entdeckte sie sämtliche Benutzerkonten, ließ diese von Administratoren sperren und überarbeitete die Artikel (wenn sie diese nicht gar löschte). Ein sichtbares Überbleibsel dieser Maßnahmen findet sich – erstellt von Bahnmöller – auf der Diskussionsseite zum Artikel „Lesbisch-Schwules Kulturhaus Frankfurt am Main“:

Die Community bleibt am Ball
So, und wer jetzt denkt, die Beispiele oben seien doch alt (stimmt, sie sind von 2020 und 2021) und die Community habe sich mittlerweile entspannt... der sollte sich mal auf der Diskussionsseite von Mord auf Ex, dem „deutschsprachigen internationalen True-Crime-Podcast mit den Journalistinnen Linn Schütze und Leonie Bartsch“ umschauen. Da hat Jbergner eine klare Warnung hinterlassen:

Welche Erkenntnisse lassen sich nun aus den Beispielen ziehen?
Die Frage lässt sich relativ leicht beantworten: Als Unternehmen (oder als Agentur für ein Unternehmen) schreibt man mit enzyklopädischer Brille. Marketingsprache hat in Artikeln nichts verloren und Zukunftsabsichten auch nichts. Gibt es kritische Punkte in der Geschichte, nimmt man sie auf, anstatt sie auszublenden.
Das ist natürlich keine Garantie, um an „Warnhinweisen“ vorbeizukommen, aber es hilft ungemein – auch als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber der Community.