Reality-Check im Relevanzcheck

Wer mit seinem ersten Wikipedia-Artikel nicht ins offene Messer (sprich eine Löschung) laufen will, geht zum Relevanzcheck. Für Unternehmen zeigt sich aber – wie die prototypische Diskussion aus dem heutigen Beispiel deutlich macht – auch hier oftmals Gegenwind. Das kann zu Frustration führen.

Angedeutet hatte ich die grundsätzliche Problematik beispielsweise gegen Ende meines Interviews mit dem Köln Magazin:

Die freiwilligen Mitstreiter haben über Jahre und Jahrzehnte immer wieder die gleichen Fehler von Benutzern aus Unternehmen gesehen. Da ist der Geduldsfaden manchmal kurz und der Ton wird rau – auch wenn ein Neuling in bester Absicht mitmachen will.

Im konkreten Beispiel geht es um die HT Group, die sich „insbesondere im Design und dem Bau von Laboren mit den höchsten Sicherheitsstufen BSL-3 (Bio Safety Level 3) und Sicherheitsstufen BSL-4 (Bio Safety Level 4)“ als „Vorreiter und innovativer Planungs- und Ausführungspartner“ sieht. So schreibt es das Benutzerkonto Marketing HT Group in dieser Anfrage beim Relevanzcheck.

Die erste Rückmeldung ist noch halbwegs freundlich, auch wenn die Aussage „Deine Vorstellung entbehrt sämtlich relevanzstiftender Argumente“ in ihrer Deutlichkeit vielleicht nicht zwingend als „nett“ durchgeht. Die Frage „Was nach unseren Relevanzkriterien für Unternehmen siehst du als erfüllt an?“ kann man jedoch noch als konstruktiv ansehen, was für die Rückmeldung auf die Antwort dann eher nicht mehr gilt:

[...] Die Wikipedia ist kein freier Webspace zur Selbstdarstellung oder Werbung. Du bemühst dich noch nicht einmal, im Sinne der Relevanzkriterien, unseren Regeln, zu argumentieren, sondern versuchst mit allgemeinen Betrachtungen die hier ehrenamtlich tätigen Autoren zu überreden. Das fruchtet nicht. --ocd→ parlons 09:22, 14. Feb. 2023

Auch die beiden nachfolgend antwortenden Benutzer schreiben sehr direkt: Das Marketing solle erst einmal seinen Verpflichtungen zur Offenlegung des bezahlten Schreibens nachkommen, „bevor du uns hier aufhältst“ bzw. sich die Arbeit sparen.

Es ist menschlich nachvollziehbar, dass dieser Umgang für wenig Freude im Unternehmen sorgt – was auch so verbalisiert wird:

[...] Ich habe das Gefühl, es ist hier ein Sport, Neulinge erst mal anzugehen. Danke für den rauhen Ton. Man wird sofort "abgewatscht", Dinge die ich zur Erklärung beigefügt habe, wird als "Marketing blabla" abgetan. [...] Ich verstehe natürlich, dass viele Anfragen abzuweisen sind, es ist aber sehr arrogant, was von Eurer Seite kommt. Wirklich schade. Ich handle nicht in böser Absicht und möchte auch nicht so angeklagt werden. [...] --Birgit Pechler / Marketing HT Group (Diskussion) 08:10, 15. Feb. 2023

Kurz danach ist es Benutzer Yotwen, der einen „Reality-Check“ in drei Punkten vorschlägt, der sich andeutungsweise in meinem Interviewauszug ganz oben herauslesen lässt:

  1. ist HT Group das erste Unternehmen, dass versucht in WP einen Artikel anzulegen?
  2. sind die Argumente einer in Marketing geschulten Mitarbeiter/in anders als die Argumente ihrer Vorgänger/innen?
  3. haben freiwillig hier wirkende Wikipedia-Autoren, die nicht für die Zeit bezahlt werden Spass daran, die x-tausendste Anfrage so freundlich zu beantworten wie die erste?

Die letzten beiden Beiträge in der Anfrage beim Relevanzcheck, aus dem kein Artikelversuch hervorging, spiegeln dann einen vorherigen Dialogteil. Das Marketingkonto drückt Enttäuschung über den Umgang aus („Es gibt so viel Unschönes auf der Welt, da sollten doch wir vernünftigen Menschen versuchen, auch entsprechend miteinander umzugehen.“) und erhält als Reaktion „Gegenwind“:

Du bist kein "Neu-Nutzer", sondern ein Marketingprofi, der Wikipedia als kostenlose Plattform benutzen will, um dein Unternehmen zu promoten. Es ist an dir dich mit den Nutzungsbedingungen und Regeln zu beschäftigen, bevor du hier werblich tätig wirst. Verkauf uns nicht für dumm und stell es endlich ein, Ressourcen ehrenamtlicher Autoren und Autorinnen für dein Werbeanliegen zu beanspruchen.--Fiona (Diskussion) 09:41, 16. Feb. 2023

Schlussfolgerungen für Unternehmen und Agenturen

Mit jahrelanger Erfahrung lässt sich das jetzt relativ leicht sagen, ohne diese Erfahrung ist das eine echte Herausforderung, aber... Wer der Community den Wind aus den Segeln nehmen will, man sei hier nur unterwegs, weil man die Wikipedia als zusätzliche Marketingplattform ansieht, sollte ungefähr diese Route nehmen: Einlesen ins Regelwerk, den Unterschied zwischen Marketing (schlecht) und ezyklopädischer Sprache (gut) verinnerlichen, der Community mit Demut begegnen, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und harsche Ansprache vor allem nicht persönlich nehmen.