Wie man eine Löschprüfung ganz schlecht startet

Zwei Dinge sind wirklich hilfreich, wenn man während der Arbeitszeit und als Teil der Arbeitsleistung zu Wikipedia beiträgt: Man sollte sich ins Regelwerk einlesen und der Community mit Demut begegnen. Wer das nicht macht, muss mit den Folgen leben.

Im vorliegenden Beispiel ist der Benutzer eindeutig bekannt: Er hat a) seinen bürgerlichen Namen zum Benutzernamen gemacht und sich b) nach der Aufforderung in der Löschdiskussion zu seinem ersten Artikel verifiziert. Da er Mitarbeiter des Universitätsklinikums des Saarlands ist und sein erster Artikel Homburger Kommunikations- und Interaktionstraining ein Thema aus diesem Umfeld behandelt, ist ein Interessenkonflikt ziemlich wahrscheinlich – jedenfalls aus Sicht der Community der freiwilligen Autoren, die dafür auch gerne den Artikel „Ententest“ verlinkt.

In der Löschdiskussion vom 22. März dieses Jahres weist ein Benutzer jedenfalls sehr schnell auf die Problematik hin:

Nun lässt es sich manchmal nicht vermeiden, dass wir durch diesen Neutralitätszwang in Interessenkonflikte geraten. Einige dieser möglichen Konflikte reichen bis in den beruflichen Bereich überschreiten die Grenze zum bezahlten Schreiben.

Viele Benutzer finden über ein Thema aus ihrem Nahfeld zu Wikipedia und kennen sich am Anfang mit den Spezifika nicht so recht aus. Insofern sollte man die Nähe eigentlich nicht zu hoch hängen — und auch der Benutzer äußert sich nicht weiter explizit dazu. Später gibt er „schon einiges an Freizeit reingesteckt“ zu Protokoll, was implizit auf ein Engagement ohne Auftrag durch den Arbeitgeber hindeutet.

Warum ich den Fall hier trotzdem vorstelle? Weil er durch die Vorgehensweise und einige Kommentare durchaus als Fallbeispiel taugt.

„Sehr naiv“ angefangen

Die bereits verlinkte Löschdiskussion ist insoweit unspektakulär: Der Löschantrag (LA) kritisiert die fehlende Darstellung von Relevanz, die Community gibt Tipps, der junge Artikelgegenstand gibt die notwendige Rezeption (in dem Fall Lehrbücher oder breite Öffentlichkeitswirkung) nicht her und ein Administrator entscheidet etwas mehr als zwei Monate später auf Löschen.

Was der Mitarbeiter des Uni-Klinikums und intrinsisch motivierte Benutzer in der Löschdiskussion u.a. von sich gibt, ist ehrlich und gleichzeitig exemplarisch für Menschen, die als Mitarbeiter aus Unternehmen und Agenturen zur Wikipedia beitragen wollen:

Tatsächlich bin ich sehr naiv in meinen ersten Wikipedia-Eintrag gesprungen und habe sicherlich unangemessen an manchen Stellen reagiert.

Diese Erkenntnis ist deshalb bedeutend, weil der Benutzer gut einen Monat später eine Löschprüfung anstößt — in der gleich zu Beginn einen Fehler macht und Folgefehler darauf setzt.

Folgefehler in der Löschprüfung

Ziemlich genau einen Monat nach der administrativen Entscheidung gegen den Artikel folgt die Löschprüfung in KW 25/2023. Der erste Fehler ist hier faktisch das Gesamtpaket, denn ein solcher Antrag folgt einem vorgeschriebenen Weg – und dessen Startpunkt ist es, den löschenden Administrator anzusprechen. Weil er das nicht gemacht, ist die erste Antwort natürlich keine inhaltliche, sondern eine formale.

Außerdem beginnt er seinen Antrag direkt mit einer Forderung:

Es wäre gut, wenn jemand aus dem medizinischen Bereich sich an der Löschdiskussion beteiligen würde oder der Administrator aus diesem Bereich ist.

Wikipedia ist kein Wunschkonzert und auch wenn man mit der Zeit ein Gespür dafür entwickelt, welcher Administrator in welcher Situation welche Entscheidung trifft, ist es eben doch dem Zufall geschuldet, wer einen Antrag bearbeitet. Beliebt macht man sich in der Community jedenfalls nicht, wenn man so konkrete Vorgaben machen möchte.

Dann kommen weitere Fehler: Ein langjähriger ehrenamtlicher Autor hat ihn auf die formalen Vorgaben angesprochen, die er ignoriert. Dazu „droht“ er mit negativer Publicity: „Vielleicht gehe ich einfach auch mal an die Presse mit meiner Geschichte“. Und er unterstellt den langjährigen Autoren, dass nur wenige qualitativ mit Netiquette, also der Höflichkeit im Internet, umgehen könnten. Wie schon im Absatz davor geschrieben: Beliebt macht man sich so in der Community nicht.

Erkenntnisse

Welche Erkenntnisse sich aus dem Fall des Mitarbeiters aus dem Saarländer Universitätsklinikum ziehen lassen, steht eigentlich schon in der Einleitung. Aber da Wiederholung durchaus ihre Vorteile hat: Man sollte sich ins Regelwerk einlesen und der Community mit Demut begegnen.

Nachdem man sich dann ins Regelwerk eingelesen hat, schreibt man a) nicht-werbliche Artikel, die b) zweifelsfrei die enzyklopädische Relevanz des Themas darstellen und bleibt c) gegenüber der Community immer höflich, um die eigene Position nicht zu verschlechtern. Denn: Viele der freiwilligen Autoren schon zehn oder mehr Jahre mit und haben über die Zeit mehr als genug Benutzer aus Unternehmen oder Agenturen gesehen, die immer wieder die gleichen Fehler machen. Irgendwann haben sie, also die etablierten Autoren, einfach eine recht kurze Zündschnur, um vermeintlichen oder tatsächlichen „bezahlten Schreibern“ geduldig zu begegnen.

Dazu kommt, dass die Wikipedia ein Projekt ist, dessen Regeln von der Community der aktiven Autoren gemacht und umgesetzt werden. Wer sich da über die Zeit nicht reinfuchst, läuft mangels Erfahrung schnell gegen eine Wand.