„Der übliche Berliner Start-up-Zirkus“
Die Recherche für meinen Gastbeitrag im VentureCapital Magazin war offensichtlich reichhaltig. Heute gibt es einen dritten Einblick, der es nicht den Fachartikel geschafft hat.
Inhaltlich wäre das durchaus interessant gewesen, was die Community der freiwilligen (oder ehrenamtlichen) Wikipedia-Autoren in der 2017er-Löschdiskussion zu IPGarten aus Berlin geschrieben hat.
Die Begründung für den Löschantrag ist, wie so oft, recht knapp und für Menschen mit wenig Wikipedia-Erfahrung nur bedingt hilfreich: „Relevanz nicht dargestellt“. Ein Ansatz ist dabei die gerne ins Spiel gebrachte kryptische Formel „RK#A“, sprich die „allgemeinen Anhaltspunkte für Relevanz“. Ein Anhaltspunkt kann dabei „anhaltende öffentliche Wahrnehmung“ sein, was aus Sicht eines Diskutanten gegeben ist:
„Also ich finde, dass mit den Beiträgen der Deutsche Welle, des Tagesspiegels oder der Neuen Zürcher Zeitung durchaus in "relevanten Medien berichtet wird"“
Direkt die nächste Erwiderung ist dann auch eine grundsätzliche Einschätzung der Start-up-Szene (vor allem in der Hauptstadt):
„Für mich sind das alles eher geschickt lancierte PR-Geschichten, der übliche Berliner Start-up-Zirkus.“
Die allgemeine Medienrezeption war nach einhelliger Meinung jedenfalls zu gering und entsprechend berief sich der Administrator letztlich darauf, IPGarten als Unternehmen zu bewerten. Und das die quantitativen Maßstäbe, die im relativ bürokratischen Katalog der Relevanzkriterien definiert sind, von Start-ups üblicherweise unterlaufen werden, lautete das Urteil eindeutig: „Relevanz nicht nachgewiesen“.
Weitere Probleme
Darüber hinaus tat sich in der Löschdiskussion noch ein Problemfeld auf, welches Autoren aus Unternehmen (und Agenturen) immer wieder Probleme bereitet. Bekanntlich kann zwar jeder zur Wikipedia beitragen (auch ohne Anmeldung), aber Benutzer aus Unternehmen müssen ihre Betriebszugehörigkeit ebenso offenlegen wie das „bezahlte Schreiben“. Der Ersteller hat das damals nicht getan und seitdem auch faktisch nicht mehr beigetragen, weshalb das Versäumnis ohne Konsequenzen blieb. (Normalerweise werden Benutzerkonten für den Bereich der Artikel gesperrt, manchmal auch für komplett für alle Bereiche.)
Darüber hinaus hat der Ersteller auf seiner persönlichen Diskussionsseite auf einen kritischen Aspekt hingewiesen, den ich in meinem Interview mit dem KölnMagazin schon mal angesprochen hatte – und zwar die Tonalität.
Der Ersteller des Artikels „IPGarten" reklamiert konkret:
„Die Sprache der Löschanträge ist dagegen unangemessen, herablassend und latent beleidigend.“
Die Antwort darauf ist höflich, korrigiert teils die Wahrnehmung und, das ist wirklich spannend, gibt einen Einblick in die Grundhaltung vieler freiwilliger Autoren, was Benutzer aus Unternehmen oder Agenturen angeht:
„Aber ich als unbezahlter Freiwilliger empfinde es als unfreundlich, wenn bezahlte Freiwillige sich nicht an die Regeln halten und auch Hinweise zur notwendigen Relevanzdarstellung nicht erstnehmen.“
Erkenntnisse
Die Löschdiskussion um IPGarten ist eines dieser zahlreichen Beispiele, warum ich immer wieder Zurückhaltung im Umgang mit Wikipedia empfehle. Der Austausch mit der Community war hier noch freundlich, insofern gibt es schlimmere Fälle. Aber die Konsequenzen aus einem zu frühen Versuch, in die Wikipedia zu kommen, sind immer wieder die gleichen: Wenn ein Artikel einmal administrativ gelöscht wurde, muss man zwingend über die sogenannte Löschprüfung gehen. Sind die Argumente nicht deutlich stärker als bei der Löschdiskussion, kann die Community schnell unfreundlich werden. Außerdem sinkt mit jedem neuen Versuch die Bereitschaft der Community, sich halbwegs freundlich zu äußern.
Dazu kommt: Bevor ein Artikel veröffentlicht wird, besteht immer die Möglichkeit, eine unverbindliche Anfrage im sogenannten Relevanzcheck zu stellen. Wurde ein bereits einmal gelöscht, ist dieser Weg versperrt.