Der Umgang der Community mit Gründern

Ich bereite gerade einen Fach- bzw. Gastbeitrag für das VentureCapital Magazin vor. Das Augenmerk liegt natürlich auf Start-ups, bei der Recherche sind mir aber einige Gründer aufgefallen...

Diese Inhalte finden nicht Eingang in den Artikel, eignen sich aber für eine alternative Veröffentlichung hier im Blog. Konkret habe ich die Löschdiskussionen zu drei Personen aus der Gründerszene herausgefischt.

Die nachträglich eingestiegene Mitgründerin

Ab dem 22. Juli 2020 arbeitete sich die Community am biographischen Artikel über eine Gründerin ab, und zwar Farina Schurzfeld von Selfapy. Der Löschantrag selbst war ziemlich knapp: „Enzyklopädische Relevanz nicht ausreichend ersichtlich“. Spannender sind die lange Diskussion und dort vor allem jene Statements aus der Community, wie einige der langjährigen ehrenamtlichen Autoren den Sachverhalt einschätzen. So schreibt beispielsweise Arabsalam:

„08/15-Marketingartikel zur Bewerbung von einem Nischen-Start-up fernab jeglicher Relevanz. Abseits von ein paar nebensätzlichen Erwähnungen in der Presse und einem Fachaufsatz ist da nichts, was über das übliche Coachingspam hinausgeht. Löschen.“

Eigenwerbung bzw. Promotion vermutet auch Fiona, die zudem auf einen anderen Zusammenhang hinweist:

„Sie war oder ist mitbeteiligt und stieg in Startups ein. Eigenständig begründet hat sie gar kein Unternehmen. Die mediale Aufmerksamkeit bekamen überwiegend die beiden Psychologinnen, die das Selfapy erdacht und entwickelt haben. Eine Marketingfrau, die mit diesem Artikel in Wikipedia promotet werden soll. Der Artikelersteller arbeitet mit ihr in derselben Agentur.“

Admin Karsten11 paraphrasierte in seiner Löschentscheidung dann den ursprünglichen Grund des Löschantrags: „Keine enzyklopädische Relevanz.“

„Manager-Spam ohne Relevanzdarstellung“

Der Benutzername Willy Venture lässt recht deutlich auf eine gewisse Nähe zur Gründerszene und auch den entsprechenden Investoren (Business Angels, Venture Capital) schließen. In rund zehn Monaten aktiver Tätigkeit von Mitte Dezember 2020 bis Mitte Oktober 2021 (siehe hier die Benutzerbeiträge) und 18 dabei erstellten Artikeln würde ich „bezahltes Schreiben“ ausschließen. Aber darum soll es hier ja nicht gehen, sondern darum, wie sich die Community in der Löschdiskussion vom 25. Januar 2021 über Philipp Gattner, den Gründer von Rebuy äußert.

Die Begründung des Löschantrags ist mit „Enzyklopädische Relevanz nicht ersichtlich“ wie oftmals ziemlich knapp – und in dieser Kürze für Außenstehende, also jene ohne Erfahrung mit den Abläufen der deutschsprachigen Wikipedia, kaum verständlich. Anders als bei Farina Schurzfeld ist die Diskussion ziemlich kurz und grundsätzlich konstruktiv, allerdings finde sich auch hier wenigstens eine starke Meinung:

„Managerspam ohne Relevanzdarstellung“

Der entscheidende Admin hat sich dieser Diktion dann zwar nicht bedient, folgt aber dem eindeutigen Diskussionsverlauf der etablierten Autoren: „Relevanzhürde klar verfehlt“.

Die militante Veganerin

Ein leicht anderes Beispiel aus der Gründerszene ist Raffaela Raab (militante Veganerin), so der erste Versuch eines Lemmas (später folgte die Verschiebung auf ein Lemma ohne Klammer). Oberflächlich ging es bei den Pro-Argumenten darum, sie als YouTuberin bzw. Medienpersönlichkeit zu behalten. Einer der ersten Kommentatoren in der Löschdiskussion vom 12. Januar 2023 reklamierte jedoch:

"Der Artikel ist derzeit eine reine Verkaufsshow mit SEO auf den Shop"

Später hieß es noch deutlicher:

„Bevor ich den Abschnitt "Vertriebskarriere" einschl. der Verlinkung auf ihren Web-Shop entfernt habe, diente der Artikel als Werbung für ihre Firma, ein österreichisches Start-Up, das Wärmflaschen herstellt.“

Aus Sicht der Community diente der Artikel zur Person also weniger der biografischen Beschreibung, als vielmehr als Katalysator für eine Unternehmung. Am Ende der Diskussion setzte ein Admin mit dem gesamten Artikel das um, was mit dem Abschnitt „Vertriebskarriere“ geschah – er wurde gelöscht.

Erkenntnisse und Schlussfolgerungen

Auf den ersten Blick zeigen die vorstehenden Beispiele vor allem auf, wie schwer es Gründer und/oder Manager haben, einen Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia zu erhalten. Auch zeigen sie, wie kritisch die Community teilweise positioniert ist.

Speziell aus der Löschdiskussion zu Philipp Gattner von rebuy lassen sich aber hilfreiche Erkenntnisse ziehen. So weist ein langjähriger freiwilliger Autor darauf hin, dass „selbst bei DAX-Unternehmen einfache Vorstandsmitglieder nicht per se relevant sind“. Tatsächlich hat sich der Autor des Artikels in den relativ bürokratischen Katalog der Relevanzkriterien eingelesen und richtig erkannt, dass es für Manager keine eigenen Kriterien gibt und sich daher an den Punkt „allgemeine Relevanz“ gehalten. Der zielt vor allem auf eine „anhaltende öffentliche Wahrnehmung“ ab. Die Community stellt jedoch deutliche Anforderungen an die Medienresonanz bzw. -rezeption, wie sich ebenfalls nachlesen lässt:

„Die Tatsache, dass er in Presseartikeln nebenbei erwähnt wird, reicht nicht aus; diese müssten sich schon konkret mit seiner Person beschäftigen.“

Werden Personenartikel aus Unternehmen heraus, über Agenturen oder von den Personen selbst angelegt, ergeben sich daraus gewisse Implikationen. Eine davon: Die Diskussionen (mit teils nicht unbedingt freundlichen Kommentaren aus der Community) bleiben dauerhaft erhalten. Eine andere: Wurde ein Artikel mit einer administrativen Entscheidung gelöscht, muss jeder neue Versuch zwingend über die sogenannte Löschprüfung gehen. Wie das Beispiel Wonderwaffel zeigt, kann man das durch häufig und wenig substantiierte Anfragen richtig falsch machen. Besser ist, sich erst einmal in Zurückhaltung zu üben oder beim sogenannten „Relevanzcheck“ anzufragen, wie man dort die enzyklopädische Bedeutung des Gründers bzw. Managers einschätzt.