Jeder darf Löschanträge stellen

Es gibt manche Eigenarten der deutschsprachigen Wikipedia, über die Neulinge immer wieder stolpern – und die auch langjährige freiwillige Autoren nicht glücklich macht. Ein Beispiel ist die Tonalität, die schnell recht unfreundlich werden kann, ein anderes ist der Umstand, wer alles Löschanträge stellen kann.

Bekanntlich kann zur deutschsprachigen Wikipedia ja ein jeder Mensch beitragen. Das geht mit Anmeldung (was gewisse Vorteile aufgrund eines Benutzerkontos mit sich bringt) oder „anonym“ ohne Anmeldung (wobei bislang die IP-Adressen ja immer mehr Rückschlüsse zulassen, als ein neutral benanntes Konto). Es spielt auch keine Rolle, wer zur Wikipedia beiträgt, also ob er einfach nur ein intrinsisches Interesse hat oder im Auftrag als Arbeitnehmer bzw. als Auftragnehmer editiert (die weiteren Auflagen für diese Art von Mitarbeit sind ein anderes Thema).

Zur Wikipedia „beitragen“ heißt dabei nicht nur, bestehende Artikel zu bearbeiten oder neue zu ergänzen, man darf auch Löschanträge stellen. Wer das mit einem neuen Konto macht und das auch noch ausschließlich, wird zwar ziemlich schnell gesperrt, aber speziell bei (wechselnden) IP-Adressen fällt das nicht so sehr auf.

Bei meiner Recherche für einen Gastbeitrag im VentureCapital Magazin (es geht dort vor allem um Start-ups und Wikipedia) bin ich auch auf den Umgang der Community mit Gründern gestoßen, der im Blog besser aufgehoben ist, als in einem sehr komprimierten Text für eine Zeitschrift. Dabei bin ich auch auf die Löschdiskussion zu Andreas Bruckschlögel gestoßen. Der Mitgründer der Website-Analysesoftware Ryte hat nicht in den Blogbeitrag gepasst, weil sich die Wikipedia-Community hier gar nicht kritisch zum Personenartikel äußert. Spannend ist vielmehr, was ein Benutzer intern kritisiert:

„Ich finde es ärgerlich, dass anonyme, völlig ungreifbare Nutzer (vielleicht Szenekonkurrenten etc.) – oder auch mit nicht vorhandenen Seiten – das Recht haben, Löschanträge zu stellen. Dann kommt ein Admin, fast alles Techniker, und entscheidet. Das gehört in die Hand von Autoren, die eher als Redakteure bezeichnet werden können. Letztlich sind diese Praktiken eine Herabwürdigung aller, die hier wirklich arbeiten. [...]“

Erkenntnisse

Ich habe es in Löschdiskussionen von Unternehmens- oder Managerartikeln, die von den jeweiligen Unternehmen oder wenig erfahrenen PR-Agenturen erstellt wurden, immer wieder erlebt, dass die Argumentation gegen einen Löschantrag ad hominem ging – also gegen den Benutzer, der den Löschantrag gestellt hat. Oder auch gegen die Befürworter des Löschantrags.

In der weiter oben verlinkten Löschdiskussion gab es grundsätzlich Zustimmung zur Kritik, aber üblicherweise gibt das Gegenwind. Das gilt, wenn die Community der freiwilligen Autoren unter sich bleibt – und noch viel mehr, wenn man mit dem Interessenkonflikt eines „Bezahlschreibers“ agiert. Sachargumente sind in Ordnung, mit allem anderen macht man sich das Leben schwer.